Valsuganabahn: Trient und Venedig einigen sich auf Begradigung
Diskussion über Elektrifizierung der Strecke
Die Valsuganabahn im Trentino gewann nach dem Ersten Weltkrieg strategische Bedeutung für das faschistische Italien, das die Venezia Tridentina enger in den Staat integrieren wollte. In den 1920er-Jahren wurde die Bahnstrecke zum Brennpunkt eines Interessenkonflikts zwischen Infrastrukturplanung, Regionalinteressen und Zentralisierung: Venedig forderte eine Begradigung, um seinen Hafen als internationalen Umschlagplatz zu stärken und den Verkehr nach Norden – vor allem in Richtung Brenner – zu beschleunigen. Trient hingegen befürchtete, durch eine neue, direktere Trassenführung von der Valsuganabahn abgekoppelt zu werden. Die bestehende Linie über Trient war länger und kurviger, aber für die Stadt wirtschaftlich und symbolisch lebenswichtig. Auch die Frage der Elektrifizierung spaltete die Beteiligten, wie die Tageszeitung La Libertà am 26. Juli 1925 von einer Konferenz berichtete, bei der sich Trient und Venedig auf die Begradigung der Valsuganabahn einigten:
„Gestern Vormittag versammelten sich im Sitzungssaal des Rathauses die Vertreter von Venedig und Trient, um über das viel diskutierte Problem der Begradigung der Valsuganabahn zu beraten und eine Lösung zu finden, die – auch wenn sie die Expansion des Handels Venedigs Richtung Mitteleuropa über eine große Eisenbahnverbindung begünstigt – nicht die Interessen Trients beeinträchtigen würde, indem es von der geplanten Trasse ausgeschlossen wird. […]
Nach der Begrüßung eröffnete der kommissarische Präfekt, Commendadore Peterlongo, die Sitzung […]. Der Umbau der Strecke sei im Interesse der Nation erforderlich – sowohl zur Aufwertung des Industriehafens von Venedig als auch für die wirtschaftliche und touristische Zukunft Trients. Die Trentiner seien bereit, alle Projekte zu akzeptieren, sofern Trient – als Provinzhauptstadt, als bedeutendes touristisches und wirtschaftliches Zentrum – Endpunkt der Valsuganabahn bleibt. Mit diesen Worten eröffnete er die Diskussion und erteilte das Wort dem gran Ufficiale Fusinato. Venedig – so erklärte Fusinato – sei bereit, jede Lösung zu akzeptieren, solange sie die Strecke nicht beeinträchtige und Trient nicht davon abgeschnitten werde. In jedem Fall müsse aber eine Verlängerung der Strecke vermieden werden, damit der Warenaustausch schneller erfolgen könne.
[…] Es folgte der Abgeordnete Barduzzi, der die Elektrifizierung der Valsuganabahn vorschlug. Dies würde vor allem einen erheblichen Vorteil und aus finanzieller Sicht eine höhere Rendite bringen und man könnte das im Trentino reichlich vorhandene „weiße Gold“ [Wasserkraft] nutzen. Der Abgeordnete Lunelli hielt im Interesse von Trient und Venedig eine rasche Einigung für notwendig, um die Unterstützung der Regierung einzuholen. […] Cavalier Musatti stimmte mit den von gran Ufficiale Fusinato geäußerten Ideen überein. Er erklärte sich aber ausdrücklich gegen Barduzzis Elektrifizierungsprojekt, da dies – so sagte er – einen Rückschritt bedeuten würde, vielmehr benötige Venedig eine Bahnlinie von internationaler Bedeutung. Commendatore Cavalieri und gran Ufficiale Fusinato widersprachen Barduzzis Vorschlag: Die Valsuganabahn würde selbst nach einer Elektrifizierung eine Nebenstrecke bleiben und auch aus finanzieller Sicht keinen Vorteil bringen. Der Abgeordnete Barduzzi verteidigte jedoch weiterhin sein Projekt.
Senator Zippel sprach kurz und äußerte den Wunsch, dass Trient und Venedig zu einer endgültigen Lösung finden mögen. Commendatore Begni versprach im Namen der Königlichen Verwaltungskommission seine uneingeschränkte Unterstützung, damit Trient Endpunkt der Valsuganabahn bleibe.“
In der abschließend verabschiedeten Tagesordnung erkannten die Versammelten die „legitime Forderung der Stadt Trient, Hauptort der Valsuganabahn zu bleiben“ an, Trient erkannte im Gegenzug „die Notwendigkeit an, dass die Strecke zwischen Trient und Venedig nicht verlängert werden darf.“ Die Teilnehmer an der Diskussion beschlossen, „eine Kommission aus fünf Technikern einzusetzen, die den geeignetsten der vorbereiteten Vorschläge auswählt, der den genannten Zielen am besten entspricht.“ Was hingegen die Elektrifizierung der Bahn angeht, so sollte es noch hundert Jahre bis dahin dauern: Ende Februar 2025 haben die Elektrifizierungsarbeiten begonnen.
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