Josef Madersperger und die Nähmaschine
Ein Tiroler Erfinderschicksal

Denkmal zu Ehren Maderspergers in Kufstein, von Leitzsche © Eigenes Werk, CC0 - Wikimedia Commons

Der Tiroler Schneidermeister Josef Madersperger erfand 1839 eine Maschine, die bereits die wesentlichen technischen Merkmale der noch heute gebräuchlichen Nähmaschinen aufwies: Nach erfolglosen Versuchen, die Nähbewegungen der Hand nachzustellen, tüftelte er an einer Nadel, die den Webvorgang nachahmte. Da Madersperger aber über keine finanziellen Mittel zum Aufbau einer Nähmaschinenfabrik verfügte, war ihm kein wirtschaftlicher Erfolg beschieden: Seine bahnbrechende Erfindung blieb für lange Zeit ungenutzt und geriet sogar in Vergessenheit. Am 16. Juli 1925 berichtet die deutsche Rhein- und Ruhrzeitung über das Schicksal des Tiroler Erfinders:
„Josef Madersperger wurde am 6. Oktober 1768 als Sohn des Schneidermeisters Georg Madersperger und der Gertraud Riederin in Kufstein in Tirol geboren. Er mag wohl in seiner Jugend im Geschäfte seines Vaters als Lehrling und später als Geselle tätig gewesen sein. Einige Zeit soll er sich auch, wie es damals Brauch war, auf die Wanderschaft begeben haben. Im Jahre 1790 verkaufte Madersperger Vater sein Haus in Kufstein für 200 Gulden und zog mit seinem Sohn Josef nach Wien. […]
Schon seit seiner Uebersiedlung nach Wien beschäftigte sich Madersperger der Jüngere unausgesetzt mit dem Bau seiner nähenden Maschine. […] Das erste Modell, an dem er von 1803 bis 1818 arbeitete, verbesserte er dauernd, ohne jedoch rechten Erfolg zu haben. Da ließ ihn seine stete, durch sein Handwerk bedingte Fühlung mit den Webern auf den Gedanken kommen, den Vorgang des Webens auf die Nähmaschine anzuwenden, nämlich ein eine kleine Spule enthaltendes Schiffchen unter der den Stoff tragenden Platte mit einem zweiten Faden durch Schlingen des ersten Fadens durchschlüpfen zu lassen. Um die Schlingen bilden zu können, machte er wiederum eine grundlegende Erfindung: Er verlegte das Nadelöhr unmittelbar hinter die Nadelspitze, gab also der Nadel die Gestalt, die sie heute noch hat. Beim Hochgehen der Nadel zog die Schlinge den zweiten Faden in den Stoff hinein. Mit diesem Modell, das Madersperger 1814 aus Pappdeckel[n], Holz und Eisen hergestellte, hatte er die Nachbildung der ‚nähenden‘ Hand, nachdem er zwischendurch den Kettenstich verwendet hatte, endgültig verlassen und war zum Steppstich übergegangen.
[…] Um seine Erfindung ausnutzen zu können, wandte sich Madersperger nun an den Staat und ersuchte um ein Privilegium, […]. Madersperger konnte jedoch das ihm verliehene Privilegium nicht ausnutzen, weil ihm das Geld dazu fehlte. […] Statt der dringend notwendigen Geldunterstützung wurde Madersperger am 3. August 1840 die bronzene Medaille des Niederösterreichischen Gewerbevereins zuerkannt. […] das war der Lohn für den Erfinder, der ein Wohltäter für Millionen von Menschen geworden ist und es sein wird für alle Zeiten! So wurde er am 8. September 1850 mit seiner Frau in das bürgerliche Versorgungshaus St. Marx aufgenommen – bis dahin war er ohne Unterstand, aller Mittel bar und vergrämt seinen Schicksalsweg gegangen.
Seine Nähmaschine schenkte Madersperger im Jahre 1839 dem k. und k. Polytechnischen Institut in Wien, der heutigen Technischen Hochschule. […] Vielfach wird behauptet, der Amerikaner Elias Howe sei der Erfinder der Nähmaschine. Dem widersprechen die erst kürzlich aus den Staatarchiven hervorgeholten Akten über Josef Madersperger, den Wiener Schneidermeister, der dreißig Jahre vor Howe bereits ein gebrauchsfähiges Modell einer Nähmaschine gebaut und öffentlich vorgeführt hatte. Howe hat nur als erster die Nähmaschine auszubeuten verstanden. Ihm fielen die sichtbaren Erfolge in den Schoß, die ihm auch den Erfinderruhm eintrugen: Zu Unrecht! Lange vor seiner Zeit mußte der wahre Erfinder in gramvoller Not zugrunde gehen, aus der ihn der Tod am 2. Oktober 1850 erlöste. […] Man hat in Kufstein und Wien Straßen nach Madersperger benannt und Gedenktafeln angebracht. Aber was hilft es, einen Bahnbrecher nach seinem Tode zu ehren, wenn es ihm zu Lebzeiten nicht zum Brote reichte? Madersperger war auch allen äußeren Ehrungen abhold. Nur eine Ehrung wäre wohl nach seinem Sinn gewesen: Wenn eine Nähmaschinenfabrik sich entschließen könnte, eine vielleicht nach ihm benennende Nähmaschine herzustellen und sie zu einem billigen Preise auch den Minderbemittelten zugänglich zu machen. Eine Ehrung, die zwar nicht mehr dem toten Erfinder, aber ungezählten Lebenden Brot und Segen brächte!“
Maria Pichler
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