Nach 33 Jahren war Schluss: die Erstausgabe der Bozner Nachrichten 1894
Im Jahr der faschistischen Machtergreifung 1922 erschienen in Südtirol noch mehr als 30 Zeitungen und Zeitschriften unterschiedlicher politischer und ideologischer Ausrichtung. In den darauffolgenden Jahren schrumpfte die mediale Vielfalt jedoch drastisch, vor allem kleinere, kritische deutschsprachige Zeitungen mussten zunehmend ihr Erscheinen einstellen, beginnend mit dem sozialdemokratischen Volksrecht im Jahr 1923. Wer sich nicht an die strengen Auflagen hielt, auf der Verwendung deutschsprachiger Ortsnamen beharrte, sich der Aufsicht des Präfekten zu entziehen versuchte oder ab Jänner 1925 sich der Vorzensur verweigerte, musste seine Zeitung aufgeben. Im Oktober 1925 wird zunächst das auflagenstärkste Südtiroler Blatt Der Landsmann nach zwei Verwarnungen wegen „falsche[r], tendenziöse[r] und übertriebene[r] Nachrichten sowie […] giftige[r] Kommentare“ eingestellt. Dasselbe Schicksal ereilte wenig später auch die Bozner Nachrichten – was auch über die Landesgrenzen hinaus für Schlagzeilen sorgte. Die Süddeutsche Zeitung etwa berichtete am 23. Oktober 1925 unter dem Titel „Südtirol ohne deutsche Zeitung“:
„Nachdem der Präfekt die Zeitung ‚Landsmann‘ wegen ihrer unentwegten Verteidigung des Deutschtums in Südtirol unterdrückt hat, stellen jetzt auch die ‚Bozener Nachrichten‘ nach 33jährigem Bestehen ihr Erscheinen mit folgender Begründung ein:
‚Soll eine Zeitung ihre Aufgabe voll und ganz erfüllen können, müssen ihre Nummern auch wirklich an die Bezieher hinaus gelangen, ihr Inhalt muß von der Leserschaft vernommen werden können und es muß ihr möglich sein, der Dolmetscher der Anliegen, der Wünsche, der Gefühle und der Rechte der Bevölkerung zu sein. Die Entwicklung der Dinge hat gezeigt, daß diese Vorbedingungen für unser Blatt kaum mehr gegeben sind, bezw. daß Hindernisse bestehen, die es kaum möglich erscheinen lassen, die Leserschaft zufrieden zu stellen. Diese Tatsache hat bei den Herausgebern den Entschluß reifen lassen, das Blatt, das sie mit großen materiellen Opfern, verteilt auf wenige Schultern, bis heute durchgehalten haben, mit dem heutigen Tage einzustellen.‘
Damit erscheint jetzt in Südtirol vorläufig keine große Zeitung mehr in deutscher Sprache. Bekanntlich haben die italienischen Behörden auch den Gebrauch der deutschen Ortsnamen in Südtirol verboten. Die ‚Bozener Nachrichten‘ waren zweimal beschlagnahmt worden, weil sie sich dieser Verfügung nicht unterzogen hatten.“