Südtirol: „Eine neue faschistische Welle“
Kontrollen und Schikanen: Der Druck auf die deutschsprachige Bevölkerung wächst

Karikatur von Mussolini als Triumphator © Satirezeitschrift Simplicissimus vom November 1925

Das Jahr 1925 markiert mit Mussolinis offenem Bekenntnis zur Ermordung des sozialistischen Abgeordneten Giacomo Matteotti den Beginn der faschistischen Diktatur in Italien. Schritt für Schritt baute Mussolini seine Macht aus, verbot Gewerkschaften und liberale Parteien, beschnitt die Pressefreiheit und ließ politische Gegner verhaften, ermorden oder in das Exil treiben. Dieses zunehmend raue Klima gegenüber allem, was nicht in das faschistische Weltbild passte, bekamen auch die deutschsprachigen Südtiroler verstärkt zu spüren. In ihrer Ausgabe vom 18. Mai 1925 fasst die Tageszeitung Allgemeiner Tiroler Anzeiger zusammen:
„‚Es ist etwas faul im Staate Dänemark‘ heißt es irgendwo. Man könnte wieder einmal dieses Zitat mit einer kleinen Abänderung so recht auf unsere Verhältnisse anwenden und sagen: ‚Es ist etwas faul im faschistischen Italien.‘ Man spürt es aus allen Ecken und Enden und natürlich sind wieder einmal wir Deutsche die Sündenböcke und müssen eine Welle über uns ergehen lassen, die alles eher als angenehm ist. Was aber ist denn schließlich angenehm für Deutsche südlich des Brenners?
Angefangen hat es diesmal mit dem famosen Feuerwehrfeste in Bozen. […] Alles war soweit vorbereitet, aber eines fehlte noch: die Bewilligung. Nicht etwa, daß sie nicht erteilt wurde – o nein, dazu sind die Behörden viel zu entgegenkommend, das muß man zugeben. Nur einige ‚kleine‘ Bedingungen stellten sie dazu: von den deutschen Feuerwehren des Landes darf je nur ein Vertreter kommen, hingegen von den italienischen Feuerwehren des ganzen Reiches so viel Vertreter als wollen und diese italienischen Vertreter müssen auf Kosten der Bozner Feuerwehr freigehalten werden (!). […]
Dann kam der Fall Bruneck. (schon wieder.) Der Wiener Universitätsprofessor Giannoni hielt in den größeren Orten des Landes Heimatschutzvorträge ab, […] und nun hatte der Museumsverein auch in Bruneck so einen Vortrag geplant. Es muß sicher nichts Unrechtes dabei gewesen sein, wir in Bozen haben nichts daran gefunden, nicht einmal die Italiener. Aber das Pustertal scheint schon ein ganz besonderes Glück zu haben und ganz besondere Bedeutung. In Bruneck wurde der Vortrag auf einmal verboten und zwar soll die Begründung gewesen sein, man braucht in Bruneck keinen deutschen Gelehrten, es dürfen nur italienische Vorträge gehalten werden!‘ […]
Interessant aber ist die Geschichte der Versetzung des Präfekturkommissärs von Bozen Mossimo. Der arme Teufel war wieder einmal den Faschisten viel zu wenig italienisch und weil er den ‚Piccolo Posto‘ noch immer nicht zum Amtsorgan des Stadtmagistrates machte, so waren ihm die Herren aus der Redaktion dieses faschistischen Blattes nicht gerade grün gesinnt. […] Er bekam aber sein Dekret nicht mal etwa aus erster Hand, sondern war ganz erstaunt, als er eines Morgens beim Morgenkaffee seine Versetzung in der Trentiner Zeitung ‚Brennero‘ las. […]
Dann kam die Geschichte mit der Sperrung des deutschen Gastspiels in Bozen. Und da war auch die Nervosität schon an der Sonne. Es spukt der Anschluß Oesterreichs an Deutschland gehörig in allen Köpfen und es wäre sehr unbequem, wenn am Brenner statt der guten Oesterreicher eines Morgens Preußen stünden.“
Maria Pichler
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