Mit dem Vertrag von Saint-Germain musste das Bezirksgericht Sillian sechs von 19 Gemeinden in seinem Sprengel an Italien abtreten. Da sich dadurch der Gerichtsbezirk erheblich verkleinerte, beschloss die Bundesregierung die Auflösung des Bezirksgerichtes zum 31. März 1923. Die verbliebenen Gemeinden sollten dem Gerichtsbezirk Lienz zugeschlagen werden. Entgegen dem ursprünglichen Plan erfolgte die endgültige Schließung jedoch erst zweieinhalb Jahre später, am 30. September 1925. Die Lienzer Nachrichten veröffentlichten die entsprechende Kundmachung am 9. Oktober:
„Auf Grund der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 8. August 1925 BGB. [Bundesgesetzblatt] Nr. 318 wird das Bezirksgericht Sillian mit 30. September 1925 aufgelassen. Mit Rücksicht auf die bestehenden Schwierigkeiten hat jedoch das Bundeskanzleramt für Justiz mit Erlaß vom 25. September 1925 Zl. [Zahl] 205.400 gestattet, daß bis auf Weiteres das Bezirksgericht Lienz die Geschäfte des aufgelassenen Bezirksgerichtes Sillian durch eine eigene Abteilung mit dem Standorte Sillian führe.
Bei der Behandlung der Geschäfte durch die in Sillian tätige Gerichtsabteilung, welche die Bezeichnung: ‚Bezirksgericht Lienz, Abteilung IV (Sillian)‘ zu führen hat, ist von den Bestimmungen des Gerichtsorganisationsgesetzes und der Geschäfts-Ordnung über die Gerichtstage auszugehen. Anzeigen über strafbare Handlungen können unmittelbar bei der Gerichtsabteilung IV in Sillian überreicht werden. Die Rangordnung von Gundbuchsgesuchen die bei der Gerichtsabteilung IV in Sillian überreicht werden, wird sich nach der Eintragung in das in Lienz geführte Tagebuch für Grundbuchssachen richten.“
Die Entscheidung stieß auf Unmut: Bereits wenige Wochen später berichteten die Innsbrucker Nachrichten am 19. November unter dem Titel „Osttirol ist unzufrieden“:
„So herrscht z.B. im Bezirke Sillian große Unzufriedenheit über die Auflassung des dortigen Bezirksgerichtes. Dieses Gericht hatte nach der Abtretung der sechs zu Italien geschlagenen Gemeinden allerdings nur mehr 13 Gemeinden zu betreuen, aber von dieser [sic!] liegen mehrere in entfernten Tälern und ihre Zuteilung zum Bezirksgerichte Lienz bedeutet für alle, die bei Gericht zu tun haben, eine derartige Erschwerung und Verteuerung, daß der Unmut der betroffenen Bevölkerung vollkommen begreiflich ist und gerechtfertigt erscheint. Man hatte gegen die Auflassung des Bezirksgerichtes schon nach dem Bekanntwerden der ersten Absichten hierfür lebhaft Einspruch erhoben, aber keinen Anklang damit gefunden und nachdem nun die Auflassung förmlich dekretiert und die Zuteilung der Sillianer Gemeinden an das Bezirksgericht Lienz als Abteilung IV verfügt worden ist, so hat man ein Aktionskomitee eingesetzt, das alle Schritte zu unternehmen hat, um den früheren Zustand wieder herzustellen.“
Der Gerichtsbezirk Sillian war ursprünglich einer von drei Gerichtsbezirken im Bezirk Lienz. Das Bezirksgericht Matrei – ursprünglich Windisch-Matrei – wurde im Jahr 2002 aufgelöst und die Gemeinden des Sprengels, wie vor 100 Jahren für das Gericht in Sillian, dem Gerichtsbezirk Lienz zugewiesen.