Wie rigoros die italienischen Behörden im Spätherbst 1925 ihre Italianisierungspolitik in Südtirol durchsetzten und selbst kleinste Spuren der deutschen Sprache zu beseitigen versuchten, verdeutlicht eine kritische Glosse in den schweizerischen Freiburger Nachrichten vom 17. November 1925. Ob dem Bericht ein tatsächlicher oder ein rekonstruierter Vorfall zugrunde liegt, lässt sich nicht mehr klären. Deutlich wird jedoch, wie stark die faschistischen Maßnahmen den Alltag der deutschsprachigen Bevölkerung beeinflussten – und wie absurd und überzogen sie bisweilen wirkten. Besonders der letzte Satz – „Fascio und Kapitol waren wieder einmal gerettet“ – vermittelt auf humorvolle Weise die überspitzte Darstellung der staatlichen Kontrolle.
Die Glosse mit dem Titel „„Das staatsgefährliche Männerhemd!“ schildert den Vorfall wie folgt:
„Ort der Handlung: Brixen in Deutsch-Südtirol! Karabinieri umstellen ein Wäschegeschäft; Karabinieri beschlagnahmen die dort lagernden – Oberhemden. Gefährdeten diese Hemden nicht den italienischen Staat? Auf der Rückseite des Zipfels, der bekanntermaßen bei besagten Kleidungsstücken mit der Unterhose verbunden zu werden pflegt, stand Firma und Erzeugungsort in deutscher Sprache, während das Staatsgesetz peinlichst befiehlt, daß Gegenstände, welche für die Oeffentlichkeit bestimmt sind, zumindest auch italienisch beschrieben sein müssen. Der Protest des Ladeninhabers, daß Männerhemden, insbesondere die Rückseite des beanstandeten Zipfels, allgemeiner Ansicht nach kaum als für die Oeffentlichkeit bestimmt anzusehen wären, wurde abgewiesen! – Fascio und Kapitol waren wieder einmal gerettet.“