Das Bezirkskriegerdenkmal in Lienz wird 100
„Kriegerdenkmalfest? Paßt es denn in unseren schweren Tagen?“


Am 8. September 1925 wurde in Lienz das Osttiroler Bezirkskriegerdenkmal eingeweiht, das nach den Plänen von Architekt Clemens Holzmeister in Form einer Gedächtniskapelle im Norden der Arkaden der Pfarrkirche St. Andrä errichtet worden war. Zur Einweihung feierten die Osttiroler ein großes Volksfest mit mehr als 10.000 Besuchern, an dem auch Bundespräsident Michael Hainisch, Landeshauptmann Franz Stumpf und Bischof Sigismund Waitz teilnahmen. „Kriegerdenkmalfest?“, stellte Bezirkshauptmann Erich Kneußl im Vorfeld in den Lienzer Nachrichten vom 4. September 1925 die Frage der Angemessenheit eines „rauschende[n] Fest[es]“ im Gedenken an die Toten des Ersten Weltkrieges in den Raum:
„Seit Wochen berichten die Zeitungen vom Osttiroler Kriegerdenkmalfest, das am 7. und 8. September d. Js. mit besonderem Gepräge in Lienz gefeiert werden soll. Kriegerdenkmalfest? Denken sich dabei manche der Leser; paßt es denn in unseren schweren Tagen, da der Bauer von wirtschaftlichen Sorgen schwer darniedergedrückt, da dem Arbeiter das hohläugige Gespenst der Arbeitslosigkeit grinsend ins Antlitz schaut und da der ganze Mittelstand einen harten Kampf um seine Existenz kämpft, paßt es denn, in dieser schweren Zeit rauschende Feste zu feiern, und noch dazu für jene unglücklichen Opfer des schlimmsten aller Kriege?
Ja, ein Fest wollen wir feiern, ein rauschendes Fest, so schön und so innig, wie es Osttirol noch nie gesehen, ein Fest zu Ehren unserer toten Helden, denen wir es danken, daß unsere Heimat nicht unter der Geißel des Krieges niedergetreten wurde!
Wer je ein Land gesehen, durch das die Kriegsfurie gezogen, wer je ein Volk bemitleidet, das durch den Krieg von seiner Heimat vertrieben, am Bettelstabe in fremde Lande ziehen mußte, wird erst begreifen, was wir denen schulden, die uns dieses Los erspart haben.
Darum wollen wir unseren toten Helden am 7. und 8. September laut danken, nicht im verborgenen Kämmerlein, sondern wir wollen es hinausrufen über alle Berge und alle Täler und alle Länder unseres Vaterlandes. Wir wollen ihnen danken, wir alle ohne Unterschied des Standes oder des Geschlechtes, wir alle ohne Unterschied der Partei, wir alle in Osttirol, angefangen von der Stadt Lienz bis zu kleinesten Berggemeinde am Fuße des ewigen Eises. Darum setzten wir unseren toten Helden ein Denkmal, erbaut und geschmückt von den Besten unseres Volkes, ein Grabmal neben dem Gotteshause unserer Stadt und auf der Stätte, wo viele Generationen unserer Vorfahren den ewigen Schlaf schlafen. Und unseren Nachkommen, denen wir das Denkmal zur Obhut übergeben, soll es sein ein Wahrzeichen der Dankbarkeit ihrer Väter, die einst große Zeit geschaut und die einst den schwersten aller Kriege glücklich überstanden, Dank der Heimatliebe der toten Helden, für die es gesetzt.“
In der Kriegergedächtniskapelle befinden sich übrigens die einzigen Fresken, die Albin Egger-Lienz jemals gemalt hatte, darunter „Sämann und Teufel“, „Sturm. Den Namenlosen“, „Totenopfer“ und „Der Auferstandene.“ Letzterer Bildzyklus sorgte bereits im Vorfeld der Einweihung des Denkmals aufgrund der Darstellung eines ausgezehrten Christi, der an einen Rückkehrer aus dem Krieg erinnerte, für heftige Polemiken, die schließlich zu einem Interdikt führten: Von 1926 bis zur neuerlichen Weihe der Kapelle im Jahr 1987 durften dort keine Messen gelesen werden. Albin Egger-Lienz, der den Wunsch hatte, in der Gedächtniskapelle begraben zu werden, wurde 1926 zunächst am städtischen Friedhof Lienz beigesetzt und an seinem ersten Todestag in aller Stille in die Kapelle überführt.
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