Die europäische Verteidigung
Zu den ersten Themen, die von der Leyen angesprochen hat, gehört die gemeinsame europäische Verteidigung durch die Initiative „Readiness 2030“, mit der Investitionen in Höhe von 800 Milliarden Euro in die Verteidigung mobilisiert werden sollen, sowie das Programm „SAFE“, das weitere 150 Milliarden Euro für gemeinsame Anschaffungen bereitstellt. Darüber hinaus erklärte die Präsidentin der Europäischen Kommission, dass dem nächsten Europäischen Rat ein klarer Fahrplan mit konkreten Zielen für 2030 vorgelegt und die Schaffung eines Europäischen Semesters der Verteidigung vorgeschlagen werde.
Was die russisch-ukrainische Front betrifft, kündigte von der Leyen das 19. Sanktionspaket gegen Russland und die Verwendung der eingefrorenen russischen Vermögenswerte – insgesamt 200 Milliarden Euro – für den Wiederaufbau der Ukraine an.
Die Wettbewerbsfähigkeit Europas
Unter den Prioritäten der Europäischen Kommission spielt die Wettbewerbsfähigkeit eine grundlegende Rolle, nicht nur in den Handelsbereichen, sondern auch in der wissenschaftlichen Forschung. Von der Leyen bekräftigte die Notwendigkeit höherer Investitionen, insbesondere in den Bereichen Digitaltechnik und Cleantech. Aus diesem Grund sieht der Vorschlag für den mehrjährigen Finanzrahmen 2028-2034, der von der Kommission im Juli 2025 vorgelegt wurde und derzeit verhandelt wird, einen Fonds für Wettbewerbsfähigkeit und eine Aufstockung der Mittel für Horizon Europe vor, das Rahmenprogramm der Europäischen Union für Forschung und Innovation für den Zeitraum 2021-2027. Darüber hinaus wurde betont, wie wichtig es ist, die Bürokratie zu vereinfachen und innovative Unternehmen zu unterstützen, die in Europa wachsen wollen. In ähnlicher Weise warnte die Präsidentin, dass die verbleibenden Hindernisse innerhalb des EU-Binnenmarktes Zöllen auf Waren und Dienstleistungen gleichkommen. Aus diesem Grund wird die Kommission einen Fahrplan für den Binnenmarkt mit einem Zeithorizont bis 2028 vorlegen, der die Einführung einer fünften Freizügigkeit für Wissen und Innovation vorsieht.
Nachhaltigkeitsziele
Die Präsidentin der Kommission erklärte, dass über 70 % der in Europa erzeugten Energie aus emissionsarmen Quellen stammt. Darüber hinaus erklärte sie, dass die EU „auf dem besten Weg“ sei, das Ziel einer Emissionsreduzierung um 55 % bis 2030 im Einklang mit dem Europäischen Grünen Deal zu erreichen. Um die Bemühungen in diesem Bereich zu unterstützen, betonte von der Leyen die Notwendigkeit, die Kreislaufwirtschaft durch den Europäischen Kreislaufwirtschaftsgesetz (Circular Economy Act) voranzutreiben. Die Präsidentin erklärte, dass auch die Automobilindustrie, die im Mittelpunkt der europäischen Industriestrategie steht, zu den Nachhaltigkeitsverpflichtungen beitragen muss. Aus diesem Grund wurde die Schaffung eines „E-Cars”, eines wirtschaftlichen europäischen Elektroautos, gefordert.
Bezahlbare Arbeit und Wohnraum
Für eine wettbewerbsfähige europäische Wirtschaft müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Zugang zu Arbeit und bezahlbaren Lebenshaltungskosten haben. Aus diesem Grund kündigte die Präsidentin der Europäischen Kommission den Vorschlag für ein europäisches Gesetz für hochwertige Arbeitsplätze (Quality Jobs Act) an. Ebenso beabsichtigt von der Leyen, eine Reihe von Maßnahmen zur Erschwinglichkeit der Lebenshaltungskosten zu ergreifen, um die Beseitigung der Armut bis 2050 zu gewährleisten. Schließlich wird ein Plan für bezahlbaren Wohnraum vorgeschlagen und der erste europäische Gipfel zum Thema Wohnen einberufen, um eine Antwort auf die Wohnungskrise zu finden, von der viele Länder der Union betroffen sind.
Die EU in der Außenpolitik
Was das Zollabkommen mit den Vereinigten Staaten betrifft, erklärte die Präsidentin der Europäischen Kommission, dass die europäische Autonomie im Handelsbereich weiterhin gewahrt bleiben werde, indem die EU ihre eigenen Regeln und Standards festlege. Darüber hinaus erinnerte sie an die laufenden Verhandlungen mit Mexiko, dem Mercosur und Indien.
In Bezug auf die globale geopolitische Lage verwies Ursula von der Leyen auf die diplomatische Rolle der EU und bekräftigte die Notwendigkeit der Einhaltung des Völkerrechts durch alle Staaten.
Gesundheit, Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und institutionelle Reformen
Nach den Erfahrungen mit der Covid-19-Pandemie und der Desinformation im medizinischen und wissenschaftlichen Bereich kündigte von der Leyen an, dass die EU eine globale Strategie zur Förderung der Widerstandsfähigkeit der Gesundheitssysteme (Global Health Resilience Initiative) anführen werde.
Was den Schutz der Rechtsstaatlichkeit in Europa betrifft, die in letzter Zeit durch Informationsmanipulation und Versuche der Wahlbeeinflussung angegriffen wurde, erklärte die Präsidentin, sie wolle einen „europäischen Demokratieschild” aufbauen.
Um die Information und die Arbeit der Medien zu schützen, wurde außerdem ein Programm zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit der freien Medien (Media Resilience Programme) angekündigt. Dieses Programm wird den unabhängigen Journalismus mit speziellen Mitteln und Finanzierungen unterstützen.
Die Präsidentin der Europäischen Kommission sprach über mögliche institutionelle Reformen, darunter die Abschaffung der Einstimmigkeit in bestimmten sensiblen Bereichen wie Außen- und Sicherheitspolitik und die Einführung der qualifizierten Mehrheit in diesen Bereichen. Diese Reform wird von von der Leyen als wesentlich angesehen, um die EU im aktuellen globalen geopolitischen Kontext reaktionsfähiger zu machen.
Zusammenfassend betonte von der Leyen in ihrer Rede, dass dies der Moment der Unabhängigkeit der EU sei, die in der Lage sein müsse, sich zu verteidigen, innovativ zu sein und ihre Bürger*innen zu schützen.