Über „die Bemühungen zur Abtrennung Nordtirols von der Diözese Brixen“
Die Kirche als letzte Brücke zwischen Nord- und Südtirol

Innsbruck mit der Kirche St. Jakob, seit 1964 Bischofskirche. © Fotograf: Karl Mössl; Sammlung Stadtgemeinde Lienz, Archiv Museum Schloss Bruck – TAP

Die Abtrennung Südtirols von Tirol nach dem Ersten Weltkrieg hatte nicht nur Auswirkungen auf die staatsrechtliche Zugehörigkeit, auf Wirtschaft, Kultur und Identität in Alttirol, sondern beschäftigte auch die kirchlichen Institutionen. Die Diözese Brixen umfasste zu diesem Zeitpunkt große Teile des heutigen Süd- und Nordtirols sowie ganz Osttirol und Vorarlberg: das Eisacktal, das Wipptal, das Pustertal, das Inntal von Finstermünz bis Jenbach sowie die Täler der Dolomitenladiner und Cortina d’Ampezzo. Die Innsbrucker Nachrichten berichten am 24. Juni 1925: „Nach dem Zusammenbruch war der Vatikan bereit, die Diözese Brixen nach den Grundsätzen des Friedensvertrages von St. Germain zu trennen.“ 1921 aber war Sigismund Waitz zum Apostolischen Administrator des österreichischen Teils der Diözese Brixen ernannt worden: Diese ermöglichte eine eigenständige Verwaltung, unterstand jedoch weiterhin dem Bischof von Brixen.
In ihrer Ausgabe vom 24. Juni 1925 gehen die Innsbrucker Nachrichten auf die aktuellen „Bemühungen zur Abtrennung Nordtirols von der Diözese Brixen“ ein:
„Die Sache mit der Teilung der Diözese Brixen verhält sich folgendermaßen: Nach dem Zusammenbruch war der Vatikan bereit, die Diözese Brixen nach den Grundsätzen des Friedensvertrages von St. Germain zu trennen. Da fuhr der Bischof Waitz nach Rom zum Papst: Damals war Bischof Waitz unbedingt gegen die Trennung mit der Begründung, daß die Kirche sich nicht mit ihrem Standpunkt an den Friedensvertrag anlehnen dürfe.
In einer Konferenz nach seiner Rückkehr hat Bischof Waitz selbst erzählt, wie er seine Gegnerschaft gegen die Trennung dem Papst begründet hat. Er habe den Papst Pius überzeugt, daß es ein schwerer Fehler und Nachteil für die Kirche sei, wenn sie in Anlehnung an den Friedensvertrag eine Trennung vornähme. Der eigentliche Grund war aber ein anderer: Bischof Waitz will wahrscheinlich selbst Bischof der neuen Diözese werden. Seinerzeit hatte er als ehemaliger Erzieher im Hause Kaiser Karls alle Aussicht, Fürstbischof von Brixen zu werden. Da war es ihm um die Einheit der Diözese Brixen natürlich sehr zu tun. Die Bevölkerung, vor allem die Intelligenz, hält unbedingt an Brixen fest, schon aus nationalen Gründen, weil sie sagt, das sei der letzte Anhaltspunkt, daß wir Südtirol wieder ungeteilt zurückbekommen. Auch verschiedene kirchenpolitische Gründe, wie die Priesterseminare, sprechen für die Einheit. An der Gründung einer eigenen Diözese kann die Bevölkerung kein Interesse haben. Aus nationalen Gründen ist daher diese Einheit wichtig und jeder Deutsche muß diesen Standpunkt verfechten.
Aus der Berufung des Bischofs Waitz zum Fürsterzbischof von Brixen ist dann nichts geworden. Für Waitz war das begreiflicherweise eine große Enttäuschung und er änderte nun späterhin aus rein persönlichen Motiven seine Haltung. Während er vorher für die einheitliche Diözese eintrat, will er nun die Trennung erreichen, um den Einfluß und die Macht des Fürstbischofs von Brixen, den alle als guten Deutschen kennen und verehren, zu verringern.“
1925 übertrug der Heilige Stuhl Sigismund Waitz die uneingeschränkten bischöflichen Rechte. Damit war die Trennung von Brixen faktisch vollzogen, wenn auch noch nicht endgültig – und Sigismund Waitz hatte sich gewissermaßen „seine Diözese“ geschaffen. Die offizielle Neuorganisation der Diözesen nördlich und südlich des Brenners erfolgte erst 1964.
Maria Pichler
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